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Nathan, der Geächtete

In der Süddeutschen Zeitung erschien am 9. Februar 2023 ein Artikel von Michael Brenner, der in den Kontext der Aktionwoche paßt.

Der erste Akt des Hitlerputsches fand am 5. Januar 1923 im Münchner Residenztheater statt. Nazikrawalle störten die Uraufführung von Lion Feuchtwangers Stück „Der holländische Kaufmann“. Die sich im Aufwind glaubende nationalsozialistische Bewegung wollte jüdische Autoren von deutschen Bühnen vertreiben. Für Feuchtwanger kam dies nicht ganz überraschend: Er hatte bereits 1920 in seiner Erzählung „Gespräche mit dem Ewigen Juden“ vorausschauend davon gesprochen, wie eine Gruppe Rechtsradikaler eine Theatervorstellung verhinderte, wenn auch nicht eine von einem seiner eigenen Stücke. In seiner fiktiven Geschichte unterbrachen die Rechten Lessings dramatisches Gedicht „Nathan der Weise“ mit dem Argument, „Lessing habe eigentlich Levi geheißen“. Aber auch in Bezug auf Nathan wurde Feuchtwangers Schreckensvision vor 100 Jahren Wirklichkeit – allerdings nicht auf der Theaterbühne, sondern im Kinosaal.

Wenn man verstehen will, wie früh München die „Stadt Hitlers“ wurde – so Thomas Mann schon im Juni 1923 -, muss man sich die verhinderte Filmaufführung des deutschen Klassikers „Nathan der Weise“ durch Nationalsozialisten am 9. Februar 1923 näher ansehen. Basierend auf Gotthold Ephraim Lessings Klassiker des Toleranzgedankens verfilmte der deutsch-jüdische Regisseur Manfred Noa diesen Stoff sehr aufwendig mit großen Schlachtszenen und monumentaler Ausstattung orientalischen Gepräges im Münchner Emelka-Filmstudio. Produzent war Erich Wagowski mit seiner Firma Bavaria-Filmkunst.

Es entbehrt aus der heutigen Rückschau nicht einer gewissen historischen Ironie, dass ausgerechnet Werner Krauß den Nathan spielte. Doch niemand konnte 1923 ahnen, dass der Bühnenstar später tragende Rollen im antisemitischen Hetzfilm „Jud Süß“ einnehmen sollte. Auch nicht die Münchner Nazis. Sie unternahmen alles, um eine Aufführung des Monumentalfilms in München zu verhindern, der im Dezember 1922 in Berlin mit großem Erfolg, positiven Kritiken und hohen Besucherzahlen angelaufen war. Vergeblich versuchten sie, das Negativ des Films zu zerstören. Als sie dann zum Protest gegen die Aufführung aufriefen, organisierte der Direktor der Filmstudios eine private Vorführung für den Schriftleiter des Völkischen Beobachters, Hermann Esser, um ihn von der Harmlosigkeit des politischen Materials zu überzeugen. Alles vergeblich. Denn nicht nur die Nazis waren der Meinung, dass es im konservativen Bayern keinen Film mit einem positiven jüdischen Protagonisten geben sollte.

Der vollständige Artikel kann hier abgerufen werden.