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Oscar für Erich Maria Remarque

„Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkriegs, für Erziehung des Volkes im Geist der Wehrhaftigkeit! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Erich Maria Remarque.“ Mit diesem 7. Feuerspruch am Tag der Bücherverbrennung 1933 in Berlin wurde sein Roman »Im Weste nichts Neues« auf dem Opernplatz ins Feuer geworfen und alle seine Bücher verboten. Der Autor, der damals schon in der Schweiz lebte, hatte Berlin nach einem Besuch am 29. Januar 1933 rechtzeitig verlassen und kam erst nach dem Krieg mit amerikanischem Pass wieder zu Besuch nach Deutschland. Die deutsche Staatsbürgerschaft hat man dem durch die Nazis Ausgebürgerten nie wieder angeboten. Seine Schwester Elfriede wurde 1943 nach einer Denunziation wegen NS-feindlicher Äußerungen durch den Präsidenten von Hitlers „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Der Umschlag der Erstausgabe (Foto: CWA)

Mit seinem weltberühmten Buch über die Kriegserlebnisse und den Tod des Soldaten Paul Bäumer, das 1929 in Berlin erschien, hat er einen Millionenerfolg erzielt. Noch im Erscheinungsjahr wurden mehr als eine halbe Million Exemplare verkauft und das Buch in 25 Sprachen übersetzt. Die Verfilmung durch Lewis Milestone 1930 in Hollywood machte ihn weltbekannt. Als der Film im Dezember 1930 in Deutschland anlief, wurden die Aufführungen massiv durch Nazis angegriffen und sabotiert. Auf massiven Druck durch Goebbels wurde der Film abgesetzt und später nur in gekürzter Fassung wieder zugelassen. Nachdem Hitler Reichkanzler geworden war, wurde er verboten. Mit der Oscar-Krönung vom vergangenen Wochenende ist die dritte Verfilmung des Buches durch Edward Berger zu Recht wieder in die Schlagzeilen geraten. Wer diesen mit vier Oscars belohnten Film zur Zeit nicht sehen kann, sollte sich das Buch kaufen. Es ist so faszinierend geschrieben, dass man beim Lesen eigene Bilder im Kopf entwickeln kann. Dies wäre vor allem deshalb interessant, weil die neue Verfilmung zwar hervorragend sein soll, aber nicht so nah am Text ist, wie die beiden Vorläufervarianten.

Remarques Name beim Bodendenkmal in Köln (Foto: HB)

Mit seinem Vorspruch zu dem Buch macht Remarque deutlich, was er will: „Dieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Krieg zerstört wurde – auch wenn sie seinen Granaten entkam.“ Überwältigende Zustimmung aber auch radikale Ablehnung äußern andere Autoren und Politiker. Schon vor seinem Erscheinen wurde das Buch vom 10. November bis zum 9. Dezember 1929 in der »Vossischen Zeitung« in Fortsetzungen vorab veröffentlicht. In seinem Nachwort zu der Taschenausgabe im Verlag Kiepenheuer und Witsch (KiWi 499) hat Tilman Westphalen unter dem Titel „Ein Simplicissimus des 20. Jahrhunderts“ die Begleitumstände und Kritiken zur Erstveröffentlichung geschildert. Mit einem Zitat aus dem Essay Günter Blöckers über den »Hamlet in Knobelbechern« (1980) macht er den Stellenwert und die Art des Buches deutlich: „Remarques Buch ist zugleich weniger und mehr als ein Kunstwerk. Es ist ein Stück Literatur, dem die Jahrzehnte nichts anhaben konnten, weil aus ihm eine Menschenstimme spricht – eine Menschenstimme, die sich bemüht, gefasst über Unmenschliches zu sprechen.“ Das ist es wohl, was das Buch auch heute noch in Zeiten des Krieges lesenswert macht.

Heinrich Bleicher